Radikale Moslems, da denken viele an IS Kämpfer oder Salafisten. Den „legalistischen Islamismus“ halten Verfassungsschützer langfristig für die größere Gefahr.
„Legalistischer Islamismus“ zu diesem Spektrum zählen die Behörden Gruppierungen, welche daran arbeiten die Regeln des Korans in der deutschen Gesellschaft zu verankern. Der Politische Islam soll so Salonfähig gemacht werden. Nicht nur bei Moslems, sondern in der gesamten Bevölkerung.
Die Fukan- Gemeinschaft mit Sitz in Hamburg wird von den Verfassungsschützern dazugerechnet. Cenk Göncü, der Sprecher der Gemeinde möchte nicht als Islamist gelten. Im Gespräch mit dem BR Magazin Kontrovers stellte er klar:
„Wir möchten das Richtige und das Falsche gemäß des Korans darlegen. Uns schwebt die Zivilisation des Propheten vor.“
Aktuell zählt der, vom Verfassungsschutz überwachte Verein, 350 Mitglieder. Ein Zuwachs von 60 Mitgliedern gegenüber dem Vorjahr. Ableger des Vereins gibt es in Hamburg, Dortmund und München
Die „Zivilisation des Propheten“ beinhaltet die Befürwortung drakonischer Körperstrafen.
Als die Sprache auf vorzeitliche, im Koran verbriefte Strafen wie das Handabhacken bei Diebstahl kommt, fällt es Göncü erkennbar schwer, sich davon zu distanzieren: „Im Islam ist das so, dass einige Gesetze wie zum Beispiel das Abschneiden der Hand, hart sind, weil es bestimmte Gesetze gibt, die dem Einzelnen schaden, um das Allgemeinwohl nicht zu gefährden.“
Gewalt ausüben will der Verein nach den Worten ihres Sprechers nicht, eine pluralistische Demokratie lehnt er aber ab. Islam und Säkularismus seien „nicht miteinander kompatibel“, sagt er.
Der Islamwissenschaftler Prof. Mathias Rhode von der Universität Erlangen Nürnberg hält solche Positionen in der heutigen Zeit für kaum vertretbar.
„Die meisten islamisch geprägten Länder haben diese drakonischen Körperstrafen abgeschafft. Und das lässt sich durchaus auf der Basis von Scharia Argumentationen begründen, wenn man das islamische Recht als eine dynamische Materie liest. Es gibt eine Mainstream-Meinung, die sagt: Das Recht ist abhängig von den Zeiten und von den Umständen der Lebensverhältnisse.“
Verfassungsschutzämter schlagen Alarm.
13000 Anhänger des „legalistischen Islamismus“ soll es, laut Verfassungsschutzämtern, in fast allen Bundesländern geben. In ganz Deutschland gibt es Moscheegemeinden mit Bezügen zu diesem Milieu.
Die, aus Sicht des Verfassungsschutzes, demokratiefeindliche Gruppe „Realität Islam“ aus dem Rhein-Main-Gebiet operiert überwiegend im Netz. Eine von dieser Gruppe initiierte Online- Petition, gegen ein mögliches Kopftuchverbot, unterzeichneten immerhin 160000 Menschen.
Im aktuellen Verfassungsschutzbericht aus NRW ist zu lesen:
„Realität Islam“ schüre „Ängste und Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat“, fördere eine Abwendung von demokratischen Werten.
Die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“ (DMG) sehen die Verfassungsschützer als Anlaufstelle der islamischen Muslimbruderschaft. Die DMG sucht den Dialog mit Politik und Kirche. Die Vorwürfe der Verfassungsschützer weist die DMG schriftlich zurück.
Recherchen weisen allerdings auf entsprechende Bezüge hin. So wurde vor einigen Jahren ein Vertreter des DMG-Vorgängervereins nach dessen Tod von der palästinensischen Hamas geehrt – und die gilt als Ableger der Muslimbruderschaft und ist als Terrororganisation eingestuft. Die DMG sagt dazu, der Mann habe lange Zeit keinerlei Funktion innegehabt, sei allerdings ein geachtetes Mitglied in ihrer Gemeinschaft gewesen. Inzwischen geht die DMG gegen die Bundesregierung vor und will erreichen, dass ihr Name nicht mehr in den jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnt wird.
Das Vorgehen der DMG ruft die Verfassungsschützer auf den Plan.
Diese sehen den „legalistischen Islam“ als größere Gefahr an, als den Salafismus und gewaltbereiten Extremismus. Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes in NRW erklärt:
Legalistische Islamisten versuchten in die Gesellschaft einzusickern und Politik und Gesellschaft für sich zu vereinnahmen und zu beeinflussen: „Und dadurch können sie langfristig unsere Demokratie nicht nur tangieren, sondern auch schwer beschädigen.“
Islamwissenschaftler Prof. Rohe sieht solche Bestrebungen kritisch, warnt aber vor Verallgemeinerung.
Quelle: Tagesschau