Seit Anfang März häufen sich die Meldungen, dass islamistische Gruppen in Syrien massive Verfolgungen vor allem der alawitischen, aber auch der christlichen Minderheit mit tausenden von Toten durchführen. Wie das Bistum Regensburg am 10. März berichtete, sollen für diese Verbrechen „Sicherheitskräfte“ der neuen islamistischen Regierung verantwortlich sein. In der Tagesschau war von „ethnischen Säuberungen“ die Rede, denen ein öffentlicher Aufruf zum Dschihad vorausgegangen sein soll. Die Christen in Syrien, die ohnehin schon sehr dezimiert sind, sollen in höchster Sorge sein. Das ZDF meldete, dass Morde, Plünderungen, die Zerstörung heiliger Stätten und Entführungen zunehmen würden. Kriminalität, Gewalt und Racheakte würden sich ausbreiten, das Land versinke im Chaos, wird ein syrischer Christ aus Homs zitiert. Die Lage seit der Machtergreifung durch die islamistische HTS sei unerträglich.
Am 8. Dezember hatte in Syrien bekanntlich ein militärisch herbeigeführter Machtwechsel stattgefunden. Der seit dem Jahr 2000 amtierende Staatspräsident Baschar al-Assad floh in der Nacht aus Damaskus vor den heranrückenden Truppen des durch ein von Islamisten angeführtes Rebellenbündnis. Der Chef der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS), Abu Muhammad al-Dscholani, der mit bürgerlichem Namen Ahmed al-Scharaa heißt, wurde quasi kommissarisch Staatschef.
Al-Dscholani hatte sich 2003 dem Terror-Netzwerk Al-Qaida angeschlossen. 2011 gründete er als syrischen Ableger von Al-Qaida die al-Nusra-Front, deren Anführer er von 2012 bis 2016 war, herrschte in der nördlichen Provinz Idlib und baute dort einen Scharia-Staat auf. 2017 führte er Al-Nusra mit anderen islamistischen Gruppen in der HTS zusammen. Bewohner und Menschenrechtsgruppen warfen HTS in dieser Zeit ein brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vor, das von den Vereinten Nationen als Kriegsverbrechen eingestuft wurde. Da Al-Dscholani enge Bindungen an die Terror-Organisation Islamischer Staat hatte, setzten die USA ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf ihn aus.
2016 hatte al-Dscholani mit Al-Quaida gebrochen und begann, sich in der Öffentlichkeit moderater zu zeigen. Viele Experten waren von dieser nach außen zur Schau gezeigten Mäßigung aber nicht überzeugt und stuften HTS weiterhin als Terrorgruppe ein.
Nach den oben beschriebenen Ausschreitungen gegen Alawiten und auch Christen darf man wohl zu Recht daran zweifeln, dass in Syrien von den Islamisten jetzt demokratische Strukturen aufgebaut werden, in denen auch die Minderheiten ihre Rechte haben. Oder ob nicht doch scheibchenweise ein Islamischer Staat mit Scharia als Gesetzgebung errrichtet werden soll.
Es ist mehr als bezeichnend, dass der in Deutschland vom Mainstream als besonders „moderat“ und „modern“ eingestufte Imam Bajrambejamin Idriz, der sich selber „Benjamin“ nennt, den Machtwechsel in Syrien am 8. Dezember auf seiner Facebook-Seite öffentlich feierte. Und zwar mit der 48. Sure des Korans, die „Der Sieg“ benannt ist. Idriz zitiert die Verse 1-7. Hier die Übersetzung seines auf arabisch gehaltenen Eintrags bei Facebook (Hervorhebungen durch BPE):
Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Wahrlich, Wir haben Dir einen klaren Sieg gegeben, damit Allah Dir Deine vergangenen und zukünftigen Sünden vergibt und Seine Gunst an Dir vollendet und Dich auf einen geraden Weg leitet. Und Allah wird Dich mit einem starken Sieg unterstützen.
Er ist es, der die Gelassenheit in die Herzen der Gläubigen herabgesandt hat, damit sie mit ihrem Glauben an ihren Glauben zunehmen. Und Allah gehören die Heerscharen der Himmel und der Erde, und Allah ist allwissend, weise. Damit Er die Gläubigen und die gläubigen Frauen in Gärten einführt, unter denen Flüsse fließen, ewig darin verweilend, und Er ihre schlechten Taten von ihnen tilgt, und das wird bei Allah ein großer Sieg sein.
Und Er wird die Heuchler und die Heuchlerinnen und die Polytheisten und die Polytheistinnen bestrafen, die von Allah eine schlechte Vorstellung haben. Ihnen wird das Übel widerfahren, und Allah wird auf sie zornig sein und sie verfluchen und für sie die Hölle vorbereiten, und schlimm ist das als Ziel. Und für Allah gehören die Heerscharen der Himmel und der Erde, und Allah ist allmächtig, weise.
Herzlichen Glückwunsch an die Menschen von Sham und an alle Freien der Welt.
In diesen Koranversen der „Sieg“-Sure ist die Feindseligkeit gegenüber Andergläubigen, die Aufforderung zu ihrer Bekämpfung und das Versprechen des Sieges mit entsprechender Beute-Belohnung dokumentiert, wie sie in vielen anderen Koransuren zum Ausdruck kommt. Dass Idriz dies im Zusammenhang mit der Machtübernahme von Islamisten und früheren Terroristen in Syrien verwendet, ist höchst aufschlussreich.
Das von Idriz bei seinem Glückwunsch benutzte Wort „Sham“ ist im Übrigen der arabische Begriff für die Region Großsyrien, die im Englischen „Levante“ oder „östliches Mittelmeer“ genannt wird und die heutigen Länder Syrien, Libanon, Palästina, Jordanien, Zypern und die türkische Provinz Hatay umfasst. Dies deutet darauf hin, dass auch Imam Idriz sich ein solches Großsyrien mit islamistischer Ausrichtung wünschen könnte.
Diese „Sieg“-Sure geht in diesem Kampf-Modus konsequent weiter, was Imam Idriz in seinem Facebook-Eintrag nicht weiter veröffentlichte. So wird in Vers 14 Andersgläubigen die Bestrafung mit Feuer angedroht:
„Doch wer an Allah und Seinen Gesandten nicht glaubt – gewiß, so haben Wir für die Ungläubigen eine Feuerglut bereitet.“
In Vers 16 wird allen Moslems schmerzhafte Bestrafung angedroht, die sich dem Kampf gegen die Ungläubigen widersetzen:
„Sag zu den Zurückgelassenen der Wüstenaraber: „Ihr werdet zu Leuten gerufen werden, die eine starke Gewalt besitzen, gegen die ihr kämpfen sollt, es sei denn, sie werden vorher Muslime. Wenn ihr gehorcht, gibt Allah euch schönen Lohn; wenn ihr euch jedoch abkehrt, wie ihr euch zuvor abgekehrt habt, wird Er euch mit schmerzhafter Strafe strafen.“
In Vers 18-19 wird allen, die Allah den Treueeid leisten und zum Kämpfen bereit sind, der Sieg und viel Beute verheißen:
„Allah hatte ja Wohlgefallen an den Gläubigen, als sie dir unter dem Baum den Treueid leisteten. Er wußte, was in ihren Herzen war, und da sandte Er die innere Ruhe auf sie herab und belohnte sie mit einem nahen Sieg und viel Beute, die sie machen werden. Und Allah ist Allmächtig und Allweise.“
Das Beute-Versprechen als Belohnung für den Kampf wird in Vers 20 und 21 fortgeführt:
„Allah hat euch versprochen, daß ihr viel Beute machen werdet. So hat Er euch diese schnell gewährt und die Hände der Menschen von euch zurückgehalten, und dies, damit es ein Zeichen für die Gläubigen sei und Er euch einen geraden Weg leite. Auch eine andere Beute, die ihr noch nicht zu erlangen vermochtet, hat Allah bereits umfangen. Allah hat zu allem die Macht.“
In Vers 28 wird der Islam als die Religion der Wahrheit bezeichnet, die die Gesetze bestimmt und den Sieg über alle anderen Religionen erringen wird:
„Er ist es, Der Seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit gesandt hat, um ihr die Oberhand über alle Religionen zu geben. Und Allah genügt als Zeuge.“
In Vers 29 wird die Barmherzigkeit unter Moslems gefordert, aber gleichzeitig die Härte gegenüber Andersgläubigen:
„Muḥammad ist Allahs Gesandter. Und diejenigen, die mit ihm sind, sind den Ungläubigen gegenüber hart, zueinander aber barmherzig.“
Im Koran finden sich viele Kampf-, Gewalt- und Tötungsbefehle gegenüber Andersgläubigen. Diese „Sieg“-Sure ist nur eine von vielen, in denen die weltliche Machterringung des Islams als Ziel dargestellt wird, das kämpferisch erreicht werden soll.
Imam Idriz konnte den Koran bereits in seiner Kindheit auswendig, weswegen er bereits mit elf Jahren Titel „Hafiz“ erhielt, bevor er dann ein Scharia-Gymnasium in Damaskus besuchte und später ein Fernstudium an der Europäischen Fakultät für Islamische Studien in Château-Chinon absolvierte, das den Muslimbrüdern nahesteht. Dort war bis zu seinem Tod 2022 der berühmt-berüchtigte radikale Prediger Yusuf-Al-Qaradawi Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats. Qaradawi rechtfertigte Selbstmordattentate im Kampf gegen Israel, verherrlichte den Holocaust als „Allahs Weise der verheerenden Rache an den Juden“, sah Adolf Hitler als eine „gerechte Strafe Allahs für die Juden“ an und prophezeit einen erneuten Holocaust in der Zukunft, der, „so Allah will“, dann „das nächste Mal durch die Hand der Gläubigen erfolgen“ werde.
Die Spur vom Imam Idriz führte seit seiner Einwanderung nach Deutschland 1994 zunächst wohl folgerichtig durch radikale Kreise. Erster Anlaufpunkt war für ihn das Islamische Zentrum München, das als „Vierte Moschee“ bekannt wurde und als Zentrum der Muslimbrüder in Europa galt. Die Kontakte von Idriz zu extremistischen Gruppierungen wie Milli Görüs und insbesondere auch zu Ibrahim El-Zayat, der für viele Experten zu der Zeit als Chef der Muslimbrüder in Deutschland galt, brachten seiner Islamischen Gemeinde Penzberg von 2007 bis 2010 die Beobachtung durch den Bayerischen Verfassungsschutz ein. „Muslimischer Geistlicher im Zwielicht“ titelte damals kritisch der Spiegel, was für dieses ansonsten eher islamfreundliche Medium viel bedeutet.
Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann bezichtigte Idriz sogar öffentlich der Lüge, da jener versuchte, seine Kontakte herunterzuspielen. Als Idriz in München seine Pläne offenbarte, ein großes „Zentrum für Islam in Europa“ bauen zu wollen, das er auch noch mit 30 Millionen Euro aus Katar zu realisieren trachtete, einem schwerreichen arabischen Staat, an dem Deutschland ein großes Interesse an wirtschaftlicher Zusammenarbeit hat, bot man Idriz an, ihn aus dem VS-Bericht herauszunehmen, wenn er keine Kontakte mehr zu radikalen islamistischen Krisen pflegt. Ab dem Zeitpunkt begann seine „Weißwaschung“ und er zeigte sich als gemäßigter Imam, was von den Mainstream-Medien fortan meist völlig unkritisch begleitet wurde. Fortan pilgerten neben vielen Kommunalpolitikern und kirchlichen Funktionären sogar politische Größen wie Bundespräsident Steinmeier und Bayerns Innenminister Herrmann in dessen Moschee nach Penzberg und lobten sie als „Vorzeige-Moschee“.
Islamkritiker aus München und Umgebung begleiteten den Weg von Idriz hingegen weiterhin mit wachsamem Auge und konnten über all die Jahre immer wieder die sorgsam aufgebaute Fassade enttarnen. Bei vielen sogenannten „Dialog“-Veranstaltungen deckten sie Unwahrheiten, Verschleierungen und Verharmlosungen des Imams in Bezug auf den Koran und die Scharia auf. Auch seine Teilnahme an einer großen Pro-Erdogan-Demonstration Anfang August 2013 in München, bei der um ihn herum auch Anhänger der radikalen „Graue Wölfe“ zu sehen waren, warf viele Fragen auf, an deren Beantwortung aber weder Mainstream-Medien noch Politiker Interesse zeigten.
Wichtiger war es offensichtlich, das sorgsam aufgebaute Bild des „Vorzeige“-Imams nicht zu beschädigen. Denn außer dem adrett gekleideten, mit Dreitagebart lächelnden Nordmazedonier gibt es in Deutschland nicht sonderlich viele vorzeigbare Imame, die nicht mit langem Bart und problematischer Gesinnung in Erscheinung treten.
Die offensichtliche Begeisterung von Imam Idriz für den sich nun allem Anschein nach entwickelnden islamistischen Staat mit Scharia-Gesetzgebung in Syrien dürfte daher vom Mainstream auch nicht kritisch beleuchtet werden.
Sondern eher, dass sich doch der „Benjamin“ über den Machtwechsel in Syrien freuen dürfe, zumal das syrische Volk jetzt vom diktatorischen Assad befreit sei, der mit Gewalt, Unterdrückung und Folter arbeitete.
Aber dies ist natürlich nur die eine Seite. Der Alawit Assad war modern geprägt und die Minderheiten in Syrien, auch die Christen, befanden sich unter seinem Schutz. Der Wandel, der sich jetzt vollzog, ist auch optisch zu erkennen (links Ausschnitt vom Online-Artikel des Focus vom 4.9.2013, rechts Kleine Zeitung vom 11.2.2025):
Diese visuelle Beurteilung ist keineswegs oberflächlich, denn das Aussehen – langer Bart beim Mann, Verhüllung bei der Frau – hat häufig auch mit der Einstellung zum Politischen Islam zu tun. In diesem Fall offensichtlich auch.
Was Assad betrifft, ist er nach westlichen Vorstellungen natürlich kein Musterdemokrat. Und gegen seine Widersacher, unter denen sich vor allem auch islamistische Terror-Organisationen und Dschihad-Gruppen befanden, ging er zweifellos knallhart vor. Aber die Frage ist, ob und wie man sich anders gegen solche fanatischen, kompromisslosen und gewalttätigen Gegner überhaupt behaupten kann.