Indonesien galt früher als Staat, in dem religiöse Toleranz gelebt wird. In dem Land mit den meisten Moslems weltweit, versuchen immer öfter fundamentale Islamisten die islamische Gesetzgebung, die Scharia, zu installieren.
Die Republik in Südostasien besteht aus 17 508 Inseln, auf denen 300 verschiedene ethnische Gruppen zusammenleben. Moslems stellen mit 88 % die größte religiöse Gruppierung der 270 Millionen Einwohner. Das Leitmotiv Indonesiens lautet “Einheit in Vielfalt”. Die Tagesschau sieht die Toleranz in Gefahr. Das wäre das Ende der Vielfalt in Indonesien.
Der Islam ist keine Staatsreligion, auch wenn Moslems die Mehrheit in Indonesien stellen. Dennoch sind andere Religionen zunehmend Repressalien ausgesetzt. Vor allem Christen sind von Gewalt und Terror betroffen.
Der Politologe Muhamed As Hiam betrachtet die wachsende Intoleranz in der Gesellschaft mit Sorge: “Intoleranz ist die Saat, aus der sehr üble Sachen erwachsen. Rassismus, Fanatismus, Radikalität. Insofern ist Intoleranz für mich die gefährlichste Saat, weil sie unsere Gesellschaft zerstören kann.”
Obwohl die Trennung von Staat und Kirche in der indonesischen Verfassung verankert ist, fordern radikale Moslems einen islamischen Staat mit der islamischen Gesetzgebung, der Scharia. Da Moslems die Mehrheit der Bevölkerung stellen, glauben sie ein Anrecht auf ihre Forderung zu haben.
Der Druck auf religiöse Minderheiten wächst. Ein Fernsehsender wurde kürzlich von der Medienkontrollbehörde verwarnt. Der Sender hatte einen Bericht über Balinesischen Wein gesendet. Alkohol ist im Islam strikt verboten.
Zur Radikalisierung tragen in Indonesien vor allem soziale Medien bei. Der Alltag wird von WhatsApp geprägt. Dreieinhab Stunden täglich verbringen Indonesier im Durchschnitt in den sozialen Netzwerken.
So haben Hassprediger leichtes Spiel, ihre Botschaften zu verbreiten. Falschmeldungen und Lügen über Gegner, wie zum Beispiel gemäßigte Politiker, sind in Sekundenschnelle in der Welt. Präsident Joko Widodo – einst als Obama Indonesiens gelobt – kann ein Lied davon singen. Ständig muss sich der säkulare Politiker gegen Vorwürfe verteidigen, nicht muslimisch genug zu sein, in sozialen Medien wird er als “Sozialist” geschmäht.
Der frühere Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama genannt Ahok, wurde der Blasphemie beschuldigt. Ahok ist Christ mit chinesischen Wurzeln. Gegen Ahoks Wiederwahl hatten Muslime Front gemacht.
Der Koran, so argumentierten sie, verbiete es Gläubigen, einen Nicht-Muslim als Anführer zu haben. Ahok bestritt dies und warnte davor, den Koran für politische Zwecke zu missbrauchen. Das genügte für eine Anklage wegen Gotteslästerung – und die Justiz hatte keine Wahl, als den Prozess gegen den Gouverneur zu eröffnen.
Radikale Moslems wollten den Gouverneur unbedingt hinter Gittern sehen.
“Es kann nur eine Strafe geben, Ahok muss sofort hinter Gitter, nur das wird der Gerechtigkeit Genüge tun”, fordert Ahmed Sujahada von der “Islamischen Verteidigungsfront”.
In einem aufsehenerregenden Blasphemie-Prozess wurde Basuki Tjahaja Purnama im Mai 2017 zu 2 Jahren Haft verurteilt. Im Januar 2019 wurde er wegen guter Führung entlassen.
Die indonesische Regierung verbietet religiöse Bekleidungsvorschriften. Der Druck auf Frauen und Mädchen den islamischen Dschilbab zu tragen wächst. Der Dschilbab bedeckt Kopf, Hals und Brust der Trägerin.
In Teilen Indonesiens haben die Behörden in den vergangenen Jahren Kleidervorschriften und lokale Gesetze erlassen, die maßgeblich von der Scharia, der islamischen Gesetzgebung, beeinflusst sind. Schon 2001 war West-Sumatra die erste indonesische Provinz, die eine Dschilbab-Pflicht einführte, daraufhin nahmen Vorschriften dieser Art zu; heute ist in 24 von 32 Provinzen das Tragen von Kopftüchern an Schulen vorgegeben.
Frauen und Mädchen sind in Indonesien de facto massivem Druck ausgesetzt den Dschilbab zu tragen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Indonesien sieht einen Angriff auf die Religions- und Meinungsfreiheit.
“Das Tragen eines Dschilbabs sollte eine Wahl sein, es sollte keine Vorschrift sein”, sagte Andreas Harsono von Human Rights Watch.” In Indonesien wächst der Glaube, dass man weniger fromm ist, wenn man eine muslimische Frau ist und kein Kopftuch trägt. Man ist moralisch niedriger gestellt.”
Den Dschilbab müssen auch nicht muslimische Frauen und Mädchen tragen.
Diejenigen, die dem Konformitätszwang nicht ausgesetzt sein möchten, werden von Lehrern, Mitschülern und Kollegen systematisch gemobbt, wenn sie den Kopf nicht bedecken – egal, ob sie Muslima sind oder nicht. Häufig findet das Mobbing in Schulen statt: “Staatliche indonesische Schulen setzen auf eine Kombination aus psychologischem Druck, öffentlicher Demütigung und Bestrafung, um Mädchen davon zu überzeugen, den Dschilbab zu tragen”, heißt es in einem Bericht von Human Rights Watch.
In West-Sumatra erlangte der Fall einer christlichen Schülerin, die gezwungen wurde sich zu bedecken, mediale Aufmerksamkeit. Das führte dazu, dass der Schulleiter sich entschuldigte. Das Ministerium für Bildung und religiöse Angelegenheiten erließ ein Dekret, das die Vorschrift zum Tragen religiöser Bekleidung an Schulen verbietet.
Immer wieder werden indonesische Christen Opfer von Gewalt und Terror im Namen des Islams. Am Palmsonntag kam es zu einem Anschlag in der Stadt Makassar in der Provinz Südsulawesi. Zwei Attentäter, ein Mann und eine Frau, hatten versucht in die gut besuchte Kirche einzudringen. Das Vorhaben misslang. Ein Attentäter zündete daraufhin einen Sprengsatz vor dem Gotteshaus. Beide Angreifer kamen dabei zu Tode. Vier Wachleute und mehrere Gläubige wurden verletzt. Der Sprengsatz detonierte als die Gläubigen gerade die Kirche verlassen wollten. Insgesamt waren 20 Verletze zu beklagen.
Die Attentäter sollen einer Gruppierung angehören, die dem “islamischen Staat” nahesteht. Bereits im Jahr 2018 soll diese Gruppierung mehrere Anschläge auf Kirchen verübt haben. Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Kirche in Surabaya 2018 kamen 12 Menschen ums Leben.
Bei dem bisher tödlichsten Anschlag im Oktober 2002 kamen auf der Insel Bali 202 Menschen bei einer Explosion vor einer Diskothek im Touristenort Kuta zu Tode, mehr als 300 wurden verletzt. Die meisten davon waren ausländische Touristen. In jüngster Zeit haben Terrorgruppen verstärkt kleinere Anschläge verübt und dabei statt Ausländer vor allem Regierungsbeamte, Polizisten, Anti-Terror-Einheiten und Menschen ins Visier genommen, die sie für Ungläubige halten.
U.Br.
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