Bei der Kundgebung der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) am 31. Oktober des vergangenen Jahres in Kassel weigerten sich der Polizei-Einsatzleiter und später auch sein Stellvertreter, die Personalien von Beleidigern aus dem Publikum aufzunehmen. Nachdem ich in drei Fällen Strafantrag gestellt hatte, ermahnte ich beide Beamte während der Kundgebung mehrfach, ihre Arbeit zu machen. Es ist nicht zu glauben, aber jetzt gibt es deswegen eine Anzeige gegen mich: „Verdacht auf versuchte Nötigung“. Wenn es nicht auf Video aufgenommen wäre, könnte man es fast nicht glauben, was in Kassel alles ablief.
Von Michael Stürzenberger
Der Zirkus begann, als ich von zwei linken Gegendemonstranten zutiefst mit „Arschloch“ und dem Mittelfinger beleidigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand ein halbes Dutzend Polizeibeamte vor den zumeist sehr jungen linken Antifa-Aktivisten. Es gab überhaupt keinen Grund, nicht zu den beiden Beleidigern zu gehen und ihre Personalien aufzunehmen, wie es die Pflicht der Polizisten gewesen wäre. Aber nichts geschah. Die Beamten blieben stoisch stehen und zeigten keinerlei Reaktion. Es war wie eine abgesprochene Blockadehaltung. Keiner der Polizisten konnte oder wollte mir verraten, wer hier zuständig ist.
Bei über 300 Kundgebungen seit 2011 sind wir es überall in ganz Deutschland gewohnt, dass die Polizei ihrer Aufgabe nachkommt, die Personalien von Straftätern aufzunehmen. Schließlich ist es die Pflicht eines jeden Polizeibeamten gemäß der Strafprozeßordnung § 163 „Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren“, dass alle Straftaten zu erforschen sind und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen getroffen werden müssen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Die einzige Ausnahme in diesen zehn Jahren unserer Aufklärungsarbeit war bis zu diesem Zeitpunkt die Kundgebung in Gelsenkirchen am 21. Juni 2019 gewesen, als der Polizei-Einsatzleiter dort lieber ein Foto des Beleidigers machen wollte, statt seine Personalien aufzunehmen, um dann anschließend eine Anzeige „gegen Unbekannt“ zu stellen.
Die „Sicherheitslage“ ermögliche es nicht, Personalien von Beleidigern aufzunehmen
In Kassel war der Einsatzleiter zu diesem Zeitpunkt erst einmal überhaupt nicht lokalisierbar. Die mittlerweile zehn Polizeibeamten, die in schwarzer Einsatzmontur direkt vor den linken Gegendemonstranten standen, verweigerten zunächst jegliche Auskunft. Wie im Video oben zu sehen ist, musste ich die Polizisten persönlich direkt von vorne ansprechen, bis dann endlich einer die Schweigespirale beendete und mir zeigte, wo sich der Einsatzleiter aufhielt: Er stand die ganze Zeit wie unbeteiligt am oberen Rand der Kundgebung herum. Minutenlang versuchte ich dann diesem Einsatzleiter klarzumachen, dass es ein völlig normaler Vorgang ist, die Personalien der beiden Beleidiger aufzunehmen, damit ein Strafverfahren eingeleitet wird. Er hatte aber ganz offensichtlich überhaupt kein Interesse daran, dies durchzuführen. Polizeihauptkommissar D. versuchte mir allen Ernstes weiszumachen, dass es „die Sicherheitslage nicht ermöglichen“ würde, die Personalien der beiden Beleidiger aufzunehmen.
Es geht hier um etwas ganz Grundsätzliches: Die Durchsetzung des demokratischen Rechtsstaates. Wenn die Polizei vor Straftätern einknickt und die Strafverfolgung mit absurden Ausreden verweigert, fühlen sich diese Straftäter natürlich ermutigt, ihre Taten, in diesem Fall massive Beleidigungen von Andersdenkenden, zu wiederholen. Bei dieser Kundgebung in Kassel entstand nun der Eindruck, dass linke und linksextreme Personen quasi unter polizeilicher Protektion stehen und ungestraft beleidigen dürfen. Zehn gestandene Polizisten in Reih und Glied vor einer kleinen Gruppe junger Antifa-Demonstranten. Hier gab es in keinster Weise eine Gefahrensituation. Ich machte aber den einzelnen Polizisten keinen Vorwurf, denn sie führen schließlich nur die Befehle von oben aus.
So langsam bekamen wir das Gefühl, dass wir ganz bewusst verschaukelt werden. Auf dem Opernplatz in Kassel ergab sich die absurde Situation, dass der Polizei-Einsatzleiter Aktivisten der Antifa-Szene protegierte, aus der häufig polizeifeindliche Slogans skandiert werden. Aber bei unserer Kundgebung waren nur junge harmlose Nachwuchs-Aktivisten dieser Antifa vertreten, die keinerlei Gefahr darstellten. Dieser von mir geäußerte Satz wird mir in der Anzeige vorgeworfen:
„Haben wir hier Hampelmänner, oder haben wir hier gestandene Polizisten mit einer Ausbildung, die sich hier zur Wehr setzen können gegen einen Antifa-Kindergarten?“
Damit hätte ich „die anwesenden Polizeibeamten bewusst und gewollt in der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgeben“ wollen, „um Druck auf sie aufzubauen“. Nein, es war vielmehr der Einsatzleiter, der mit seiner absurden Sichtweise, die Sicherheitslage würde es nicht ermöglichen, Personalien aufzunehmen, seine Polizisten-Kollegen selber der Lächerlichkeit preisgab. Als ob diese zehn Polizisten nicht in der Lage gewesen wären, die Situation zu kontrollieren. Ihn wollte ich überzeugen, dass er schlicht und ergreifend seine Arbeit machen soll, für die er von den Steuerzahlern schließlich sein Gehalt bezieht. Durch seine abstruse Blockadehaltung gab dieser Einsatzleiter auch noch den Rechtsstaat der Lächerlichkeit preis.
Knapp zwei Stunden später gab es erneut eine heftige Beleidigung, diesmal von einem Moslem. Der Einsatzleiter war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da, aber sein Stellvertreter verhielt sich ähnlich. Er ging lediglich zu dem Beleidiger und wies ihn darauf hin, dass er seine Maske richtig aufsetzen solle. Die Beleidigung war ihm ganz offensichtlich völlig egal.
Wie im Video deutlich zu sehen ist, stand der junge Moslem einzeln am Absperrband. Der stellvertretende Einsatzleiter war völlig entspannt neben ihm. Es steht völlig außer Frage, dass es überhaupt kein Problem dargestellt hätte, die Personalien des Beleidigers aufzunehmen. Der Polizeibeamte schien es ganz offensichtlich nicht zu WOLLEN. Er hatte entweder aus seiner persönlichen Sicht keine Lust dazu oder er hatte Anweisungen von oben. Von dem Einsatzleiter oder vielleicht von noch weiter oben, wer weiß. Im Video oben ist auch zu sehen, dass sich der stellvertretende Einsatzleiter in aller Ruhe mit dem Moslem unterhielt.
Wegen „Gefahrenabwehr“ keine Strafverfolgung
Dieser stellvertretende Einsatzleiter sagte, dass er seinen Job mache und ich meinen machen solle. Ihm sei es egal, ob ich mich darauf verlasse, dass jetzt die Personalien aufgenommen werden. Er weigerte sich schlichtweg. Dieser Polizist glaubte offensichtlich, dass er mich problemlos hinters Licht führen kann. Wenn aber die Polizei in solchen Situationen nicht durchgreift, fühlen sich Straftäter ermutigt. Sie werden ja nicht bestraft, also können sie das Beleidigen jederzeit wiederholen. Die geäußerte Beleidigung „Bastard“, die wir bei fast jeder Kundgebung zu hören bekommen, ist kein Kavaliersdelikt. Der stellvertretende Einsatzleiter ignorierte aber beharrlich meinen Strafantrag und stand geradezu gelangweilt neben dem Moslem, der mich massiv beleidigt hatte. Was er dann zu mir sagte, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
„Im Rahmen einer Gefahrenabwehr sehe ich von einer Strafverfolgung ab.“
Das bedeutete quasi die Kapitulation des deutschen Rechtsstaates vor einer angeblichen Gefahr, die seiner Meinung wohl von einigen wenigen Personen ausgehe. Der Opernplatz in Kassel ähnelte in diesem Moment einer Scharia-Zone, in der deutsche Gesetze nicht mehr gelten. Man konnte schon fast den Eindruck bekommen, sich in einer Folge der versteckten Kamera zu befinden. Aber dieses absurde Geschehen war tatsächlich die Realität. In den sieben Stunden dieser Kundgebung wurde kein einziger Strafantrag angenommen, keine Personalie eines Beleidigers festgehalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der stellvertretende Einsatzleiter exakt 22 gestandene Polizeibeamte neben sich, die in einer Reihe vor dem Publikum standen. Plus die außen herumstehenden Polizisten waren es 29. Plus Reserve. Es lag überhaupt keine „Gefahrensituation“ vor, die man hätte vermeiden müssen. Die vielen Polizisten hätten jederzeit alles problemlos im Griff gehabt. Es ist regelrecht eine Schande für den deutschen Rechtsstaat, was sich der Einsatzleiter und sein Stellvertreter am 31. Oktober 2020 in Kassel leisteten.
Was ich vor Ort erleben musste und was in diesem Video (oben) dokumentiert ist, lässt für mich nur den Schluss zu, dass wir ganz bewusst verschaukelt wurden. Es bestand überhaupt kein Interesse, Strafanzeigen aufzunehmen. Ob das angeordnet war oder eine Entscheidung der beiden Beamten vor Ort war, wird sich noch herausstellen. Deswegen habe ich wenige Tage nach der Kundgebung gegen den Einsatzleiter und seinen Stellvertreter Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt § 258a StGB und Billigung von Straftaten § 140 StGB gestellt.
Und jetzt bekomme ich, quasi als Retourkutsche, eine Strafanzeige wegen des „Verdachts der versuchten Nötigung“. Wörtlich:
„Herr Stürzenberger forderte Polizei-Hauptkommissar D. in seiner Kundgebung öffentlich und durch seine Lautsprecherunterstützung lautstark dazu auf, strafprozessuale Maßnahmen gegen einzelne Personen einer Gegenkundgebung einzuleiten. Als dies nicht wie von ihm gefordert eintrat, kündigte er als empfindliches Übel Dienst- und strafrechtliche Konsequenzen an.
Herrn Stürzenberger wurde daraufhin durch Polizei-Hauptkommissar D. die Gründe für seine Entscheidung, nämlich entgegen seiner Anweisungen die Personalien in der Situation vor Ort nicht aufzunehmen, begründet.
Dies schreibt Herr Stürzenberger selbst in einem Artikel, den er auf www.pi-news.de am 02.11.2020 veröffentlichte. Vor Ort ließ sich Herr Stürzenberger aber nicht von den fachlichen Argumenten von Polizei-Hauptkommissar D. überzeugen und drohte im weiteren Verlauf der Kundgebung immer wieder mit dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen in Richtung der anwesenden Polizeibeamten und Polizei-Hauptkommissar D., indem er über Mikrofon verstärkt die Frage stellte: ,,Haben wir hier Hampelmänner, oder haben wir hier gestandene Polizisten?“ Womit er die anwesenden Polizeibeamten bewusst und gewollt in der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgeben wollte, um Druck auf sie aufzubauen.“
Soweit der Text der Strafanzeige. Besonders amüsant ist der Satz, dass ich mich nicht von den „fachlichen Argumenten“ des Polizei-Hauptkommissars D. „überzeugen“ ließ. Dieses Vorgehen erinnert mich an den Titel des Films „Das Imperium schlägt zurück“. Der Ausgang von Star Wars ist aber durchaus ermutigend für kleine Rebellen. Und wenn wir noch einen funktionierenden Rechtsstaat haben, dann wird das alles korrekt anhand der Sachlage aufgearbeitet. In diesem Video (oben) ist das Geschehen an diesem Tag umfassend dargestellt.
Über den Fortgang des Verfahrens werde ich laufend berichten. Momentan bittet mein Anwalt um Akteneinsicht, damit wir einen Überblick über die Details dieser Vorgänge bekommen. Vor allem interessiert mich, wer mich hier im Einzelnen anzeigte.
Hier ist das Video dazu: