Vermutlich war dies nur die Spitze des Eisbergs: Ein Deutsch-Afghane wurde jetzt wegen Landesverrats verurteilt, weil er als Zivilangestellter der Bundeswehr Militärgeheimnisse an den iranischen Nachrichtendienst MOIS verraten hatte. Der Fall zeigt: Muslimische Netzwerke in der Truppe entpuppen sich als weit gravierenderes Problem als die angebliche Infiltration durch Rechtsextreme.
Abdul S. hatte sich zwischen 2013 und 2017 in verschiedenen europäischen Metropolen mit Kontaktoffizieren des iranischen Geheimdienst getroffen und dort Lagepläne des Bundesverteidigungsministeriums übergeben. Wie der „Tagesspiegel“ aus deutschen Sicherheitskreisen zitiert, sei der Vorgang ein weiterer Beweis dafür, dass der Iran „klassische geopolitische Spionage betreibt und nicht nur die Unterdrückung von Oppositionellen“. Ziel des Iran war immer und ist nach wie vor die Erringung einer Hegemonialstellung im Nahen Osten – und hierzu bedient er sich zunehmend loyaler Schläfer in Europa, die als Bürger westlicher Staaten deren Streitkräfte infilitrieren.
Abdul S. war, wie „mena-watch“ berichtet, in der Dauner Heinrich-Hertz-Kaserne als Übersetzer und geographischer Afghanistan-Experte tätig – im Fernemeldaufklärungs-Bataillon „Elektronische Kampfführung 931“. Dort speicherte er vertrauliche Daten ab und übergab diese seinen Verbindungsoffizieren. Diese hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit der in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten. Seine Ehefrau soll ihn unterstützt haben.
Ob es sich bei Abdul S. um einen jener vier Islamisten handelte, die sich unter den 2019 vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) enttarnten 14 Extremisten befanden (die übrigen waren Rechtsextreme und Reichsbürger), wurde nicht bekanntgegeben; falls nicht, würde dies bedeuten, dass Verräter und Spione für islamistische Staaten zu den in der Statistik geführten Fällen von Islamismus noch hinzuzurechnen wären, womit die potentielle Bedrohungslage deutlich größer wäre als bislang angenommen.
Derzeit gibt es rund 1.500 bis 1.600 muslimische Bundeswehrangehörige – freilich nicht alles Islamisten, doch muss je nach Migrationshintergrund und Sozialisierung besonders sensibel hinterfragt werden, wem ihre Verbundenheit gilt – und ob ihre staatsbürgerliche Loyalität inklusive Grundwerteverpflichtung auch zweifelsfrei über der Religion steht. Denn relativ betrachtet, so schreibt „mena-watch“, ist der Islamismus „ein größeres gesellschaftliches Problem in Deutschland als der Rechtsextremismus“. Zumal diverse Untersuchungen zeigten, dass viele junge Menschen „mit Wurzeln in islamischen Staaten“ sich stark zum Glauben hingezogen fühlen und mitunter islamische Werte noch stärker betonen als ihre Eltern. (DM)