Afghanistan – Traut ihr euch, uns zuzuhören?

Vera Lengsfeld – Bericht aus Afghanistan – Teil I

Wahrheitsgetreue Berichte über die Zustände in den Gesellschaften, aus denen nach wie vor zehntausende junge Männer ohne oder mit gefälschten Papieren zu uns kommen, sind schwer zu ertragen. Aber wir sollten wissen, welchen Hintergrund die Menschen haben, die von unseren Politikern nach wie vor willkommen geheißen werden.

Der Westen verschließt lieber die Augen vor der Realität. Aber die Realität holt uns bereits ein.

Was Frauen in Afghanistan passiert, sollten wir zur Kenntnis nehmen und unsere Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Traut ihr euch, uns zuzuhören?

VON HELENA EDLUND

Die preisgekrönte Journalistin Magda Gad hat nach ihrem 3-monatigen Aufenthalt in Afghanistan begonnen, die Situation der dortigen Frauen zu beschreiben. Leider gibt es den Text bei Expressen nur hinter einer Bezahlschranke, aber die Bilder und die Einleitung des Artikels vermitteln eine Ahnung vom Inhalt.
Als ich nach meinem 6-monatigen Aufenthalt in Afghanistan wieder nach Schweden zurückgekehrt war, wurde ich zu verschiedenen Vorlesungen eingeladen. Es gab bereits ein relativ großes Interesse an dem Land und seiner Kultur, noch ehe die ersten Flüchtlingsströme richtig in Gang kamen.

In ihren Facebook news erklärt Magda Gad, warum es ihr ein Anliegen ist, über die Situation der Frauen zu berichten:

Ob es einen Unterschied macht oder nicht, das weiß ich nicht. Aber nun werden ihre Erlebnisse nicht mehr mit ihnen verloren gehen. Nun ist die Stimme der afghanischen Mädchen und Frauen nicht mehr stumm. Denn das war ihr einziges Anliegen. Ihr letzter Wille. Dass ihre Stimme gehört werden würde. Dass sie Zeugen sein könnten. Dass ihnen wenigstens jemand am Ende zuhören würde. Bevor sie sterben – durch die Hand eines Mannes oder durch ihre eigene. Junge und alte Körper, die in der Erde verscharrt werden, ohne jemals einen glücklichen Tag erlebt zu haben.“

Magda Gads Texte werden zu Recht mit Lob und Anerkennung kommentiert – endlich berichtet mal jemand, wie es sich tatsächlich verhält! Ja. Es ist wirklich phantastisch, dass jemand darüber schreibt, aber noch phantastischer ist, dass Herr Svensson endlich bereit ist, zuzuhören. Als ich in meinen Vorlesungen über meine Begegnungen mit afghanischen Frauen und Kindern berichtete, verstand ich schnell, dass ich nie über die wirklich dramatischen Treffen oder Erlebnisse berichten durfte. Selbst wenn die Menschen ernsthaft interessiert waren, ertrugen sie doch nie mehr als nur Teile der Wahrheit. Alles darüber hinaus, was die Afghanen nicht als „edle Wilde“ oder als unschuldige Opfer einer brutalen Kolonialmacht beschrieb, wurde (im besten Fall) hartnäckig abgelehnt oder ich (üblicherweise) des Rassismus beschuldigt.

Schließlich stellte ich meine Vorlesungen ein. Wenn die Leute nicht einmal eine auf Kinderniveau zurück gestutzte Version der Wahrheit hören wollten, wollte ich auch nicht weiter darüber berichten. Ich wusste, wie die Wahrheit aussah. Ich stand vor dem Haus und hörte, wie die Frauen vergewaltigt wurden, ohne eingreifen zu können. Ich hatte die traumatisierten Kinderbräute in den Krankenhäusern gesehen, mit den zerrissenen Unterleibern und die dünnen Mädchenkörper, die mit durch erwachsene Männerhände verursachten tiefvioletten Blutergüssen übersät waren, an Stellen, wo eigentlich Brüste hätten sein müssen, wenn sie alt genug gewesen wären. Ich habe gehört, wie meine Freunde nach dem Freitagsgebet ermordet wurden. Ich habe Frauen getroffen, die zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, weil sie von Zuhause geflohen waren. Aber das wollte niemand hören. Es war einfacher, mich als Rassistin zu bezeichnen.

Bitte verfolge Magda Gads Reportage über Afghanistan. Ich werde es tun. Aber vergiss dabei nicht: Es wird nicht erst jetzt darüber berichtet – sondern wir fangen erst jetzt an, zuzuhören.

An dieser Stelle folgt ein Kapitel aus meinem Buch „Konsten att överleva Svenska kyrkan“ (Die Kunst, die schwedische Kirche zu überleben), welches ich Anfang des Jahres veröffentlicht habe. Auch dieses Kapitel ist relativ stark abgemildert. In Kürze werde ich auf meinem Blog aber weitere Artikel über meine Erfahrungen in Afghanistan publizieren, offen, ehrlich und unzensiert. Wenn ihr wirklich zuhören wollt, dann werde ich gern berichten. Bis dahin aber nur so viel:


„Im Nachhinein habe ich versucht zu verstehen, was mich bewogen hat, offen Stellung zu beziehen und mit dem Schreiben anzufangen. Die Wahrheit ist wohl, dass ich keine andere Wahl hatte. Die innere Überzeugung, dass es meine Aufgabe wäre, kraftvoll darüber zu berichten; dass ich es nicht verdrängen konnte, obwohl ich es versucht hatte. Aber es gab noch weitere Faktoren, dass ich diesen Sprung wagte. Ich denke, dass einer der Katalysatoren mein 6-monatiger Militärdienst in Afghanistan war. Ich arbeitete als Koordinationsoffizierin in der FS20, stationiert in Masar-e Scharif in der Balkh-Provinz. Einige Jahre zuvor war ich Bataillonspastorin im Kosovo, aber das war eine ganz andere Sache gewesen. Trotz meines Ranges war ich eine Zivilperson, die aufgrund ihrer zivilen Fähigkeiten für diese Einheit rekrutiert wurde.

Mein ziviler Hintergrund führte unmittelbar zu Konflikten in der G9, wie die Einheit bezeichnet wurde. Bereits während der Ausbildung in Livgardet machte mir ein junger Offizier überdeutlich, dass er, sollte ich mich als Quotenfrau herausstellen, alles in seiner Macht Stehende tun würde, um mich wieder los zu werden. Ich verstand jedoch sehr schnell, dass der Dienst in Afghanistan sich von dem im Kosovo in vielerlei Weise gründlich unterschied, auch organisatorisch. In der FS20 war die Hierarchie eindeutig: Zuoberst herrschten die männlichen Militärs, gefolgt von den weiblichen. Dann das männliche zivile Personal und zuunterst in der Hackordnung standen wir, die sowohl weiblich als auch zivil waren.

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